Ruth Maria Kubitschek ✝︎: Mit diesen letzten Worten verabschiedete sich die Grande Dame von der Welt - WELT (2024)

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Melissa, Annette „Spatzl“ von Soettingen, Friederike von Unruh, Margot Balbeck. Erst war es nur ein Vorname, dann wurden es doch komplette, sehr deutsche, auch große Damen, mit denen Ruth Maria Kubitschek deutsche Fernsehgeschichte schrieb. Als nachnamenlose, aber geheimnisvoll schöne Titelfigur des ersten – was für ein herrlich altmodisches Wort – „Straßenfegers“ des längst vergessenen Francis Durbridge war sie 1966 bereits nach ein paar Minuten tot. Aber für die wirklich von draußen vor die Geräte gelockte und dort vereinte Fernsehnation wurde sie zum kollektiven Star.

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Und sie blieb es bis heute. Obwohl die Kubitschek, immer Dame, längst dem Fernsehen Ade gesagt hatte, zurückgezogen am Bodensee, schließlich in Ascona lebte, ihre Ruhe haben wollte und ihrer esoterischen Ader nachgab. Sie pflegte einen „Garten der Aphrodite“, malte, pendelte, meditierte, schrieb ein wenig versponnene, aber sehr erfolgreiche Bücher für Frauen in der zweiten Lebenshälfte über Engel, Elfen, Erdgeister, über Pan, das Vor-, Weiter- und Nachleben, aber auch über das von ihr vorexerzierte „Anmutig älter werden“.

So verblasen und ein wenig verstrahlt das auch anmuten mag – Ruth Maria Kubitschek hatte auch immer einen zupackenden, streng entschlossenen, bisweilen sogar zynischen Zug um den schönen Mund. Diese Ambivalenz, das Harte und das Zarte, das Versponnene und das Direkte, adelte gerade ihre berühmtesten fiktionalen Figuren, vor allem in drei Serien der Achtzigerjahre, ihrer besonders großen Fernsehzeit.

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Bei Helmut Dietl war die Kubitschek immer eine „von“. Zunächst 1983 das Spatzl, die Rolle, die sie als Schauspielerin wieder aufs Gleis brachte, die geliebte, viel durchmachen müssende Antiquitätenhändlerin-Gattin des „ewigen Stenz“ Monaco Franze – alias Helmut Fischer, mit lispelnder Sekretärin Olga (Christine Kaufmann) und ewig Tafelspitz mit viel Majoran kochender Haushälterin Irmgard (Erni Singerl). Eine Frau, die wohl sehr viel von ihr selbst hatte und über die sie später sagte: „Das Spatzl hat mich befreit.“

Da übte sie sich in der Leichtigkeit des Betrogenseins, zog die Augenbraue hoch, wenn der Gatte vor aufgeblasenen Freunden als leider Recht habender Opernkritiker („Ein rechter Scheißdreck war’s! Altmodisch bis provinziell war’s! Des war’s!“) dilettiert. Aber das Spatzl hatte es selbst faustdick hinter den Ohren, wenn es plötzlich für dreieinhalb Tage bis Aschermittwoch in den Endwirren des Münchner Faschings verschwand.

Ruth Maria Kubitschek ✝︎: Mit diesen letzten Worten verabschiedete sich die Grande Dame von der Welt - WELT (2)

Und später, als taffe Verlegerfrau Friederike von Unruh, der echten AZ-Besitzerin Anneliese Friedmann nicht unähnlich, blies die Kubitschek nicht nur ihrem Klatschreporter Baby Schimmerlos den Boulevard-Marsch, sondern zeigte 1988 in „Kir Royal“ auch ihre bestens gelungene Krampfadern-Entfernung („hier ‘n Schnitt und da ‘n Schnitt“) auf dem Tisch, den Rock gelupft, vollendet nonchalant.

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Diese Frauen konnten fordern, aber auch schnurren. Und am Ende wollten sie doch stets geliebt werden. Doch in „Das Erbe der Guldenburgs“ kehrte Ruth Maria Kubitschek ab 1988 drei Staffeln lang als dauerintrigante Brauereibesitzerin Margot Balbeck in diesem deutschen „Dallas“ den weiblichen J.R. Ewing in den Schulterpolsterblusen von „Denver“-Vamp Joan Collins heraus. Und in der immer schnutig gschnapperten, aus Wien nach Holstein eingeheirateten Christiane Hörbiger hatte sie eine grandios ebenbürtige Gegnerin.

Der Name von Ruth Maria Kubitschek verriet es: Sie wurde am 2. August 1931 im tschechischen Komotau geboren, ihr Vater leitete ein Kohlebergwerk in Nordböhmen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs floh die sudetendeutsche Familie ins anhaltinische Köthen. Die Wiederanfänge dort waren hart. Sie selbst studierte Schauspiel in Halle und Weimar. In der DDR wurde sie rasch nach ihrem Debüt als Fina in Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ ein gefeierter Bühnenstar, spielte auch bei der DEFA.

Frau von Opernintendant Götz Friedrich

Schon 1953 hatte sie ihren Kommilitonen geheiratet, den späteren Dramaturgen, Regisseur und Opernintendanten Götz Friedrich, mit dem sie einen Sohn bekam. Doch 1959 kehrte sie nach einem Theatergastspiel im Westen samt Sohn nicht zurück. Die Ehe war schon gescheitert, 1963 erfolgte die Scheidung.

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Ruth Maria Kubitschek spielte weiter Theater, der Film kam dazu. Meist nur mit Flach- und Sexware wie „Frau Wirtin und ihre Nichte“ oder „Ich schlafe mit meinem Mörder“. Doch das Fernsehen rief vehementer. Fritz Kortner förderte sie, 1960 war sie an der Seite von Romy Schneider in seiner beinahe Skandal machenden „Die Sendung der Lysistrata“ dabei. Sie wurde über Jahrzehnte eine der meistbeschäftigten TV-Darstellerinnen – immer dann, wenn es um ein wenig kühle, selbstbestimmte Frauen ging.

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Sie vergisst man nicht

Die etwas raue Stimme, sie lieh sie als Synchronsprecherin Danielle Darrieux, Daliah Lavi oder Delphine Seyrig, passte da gut, später auch der lange, lässige Seitenscheitel ihres rötlich blonden Haars. Sie spielte Serien, Krimis, Soaps, das meiste war für den Tag und ist vergessen. Aber ihr Name verblasste nie, sie hatte immer bestens zu tun, auch weil sie ihr zweiter Lebensgefährte ab 1976, der mächtige Fernsehproduzent Wolfgang Rademann („Traumschiff“, „Schwarzwaldklinik“), immer gut fütterte, zum Beispiel mit Fortsetzungen von „Drei teuflisch starke Frauen“.

2013 drehte Ruth Maria Kubitschek zum letzten Mal, „Frau Ella“ an der Seite von Matthias Schweighöfer und August Diehl. Nach Rademanns Tod 2016 zog sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Ende 2023 gab sie dem „Stern“ ein „letztes“, sehr typisches, auch selbstkritisches Interview. Darin hat sie gesagt, sie würde 94 werden. Das hat sie nicht ganz geschafft. Jetzt ist sie am 1. Juni in der Schweiz gestorben. Sie wurde 92 Jahre alt.

Ihre letzten Worte seien gewesen: „Die Erde gab mir ein wunderschönes Zuhause auf dieser Welt. In tiefer Dankbarkeit wechsele ich in die andere Welt. Es gibt sie, Sie können es mir glauben.“

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